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Data Driven UX: Vom Bauchgefühl zum Wissen
Data Driven UX, auch Data Driven Design – was ist das überhaupt? Ein Definitionsversuch: Bei Data Driven UX treffen Designer Gestaltungsentscheidungen anhand von Nutzerdaten. Idealerweise beinhalten die Daten sowohl subjektive Informationen, zum Beispiel aus Befragungen, als auch objektive Daten wie aus Nutzungsstatistiken.
Oder anders: Data Driven UX ist eine Methode, das Bauchgefühl durch Fakten zu bestätigen oder zu korrigieren.
Gute UX basiert derzeit oft auf qualitativem Research, Erfahrung und Instinkt. Dabei gibt es viele Wege zum Ziel. Das Gute an Data Driven UX ist, dass Designer sich mit dieser Methode von einer Diskussion über Gefallen oder Nicht-Gefallen lösen können.
Im ersten Schritt müssen alle Projektbeteiligten akzeptieren, nicht zu wissen, was Nutzer wollen. Selbst dann nicht, wenn sie sich selbst zur Zielgruppe zählen. Denn inzwischen gibt es schlicht zu viele Variablen und Wünsche, die berücksichtigt werden können oder müssen. Im Zusammenspiel der Komponenten entstehen immer wieder neue Kombinationen und Herausforderungen. Wie Steve Jobs es formulierte „A lot of times, people don‘t know what they want until you show it to them.“
Warum werden Daten wichtiger?
Conversion-getriebene Seiten wie Shops haben die Relevanz von Daten schon lange erkannt, um Kunden zu verstehen und Maßnahmen, die der Verkaufsförderung dienen, abzuleiten. Aber auch andere Branchen ziehen nach. Digitale Kommunikation wird für Unternehmen immer wichtiger. Dadurch steigen wiederum Budgets und die Anzahl involvierter Personen. Daten als rationale Basis und Messgrundlage vereinfachen schlicht die Entscheidungsfindung.
Daten können zeigen, wo Probleme in der UX liegen, damit diese dann gezielt behoben werden können.
Daten zeichnen ein klareres und objektiveres Bild der Nutzerbedürfnisse, da sie einerseits durch die Nutzer selbst generiert werden und andererseits keinem persönlichen Geschmack oder Vorlieben unterliegen.
Auf Basis solcher Daten sollten Hypothesen entwickelt werden, die klare, eindeutige und präzise Formulierungen, Messbarkeit, einen Zeitrahmen und Erwartungen festhalten.
Ein Praxisbeispiel: Wir beobachten, dass die Absprungrate auf der Landingpage „Probefahrt“ eines Automobilherstellers im Vergleich zu anderen Seiten des gleichen Unternehmens sehr hoch ist. Wir glauben, dass das Verschieben des Call-to-Action Buttons in den initial sichtbaren Bereich sich darin äußern wird, dass die Anfragen nach Probefahrten zunehmen. Die Hypothese ist belegt, wenn sich die Kennzahl Conversion-Rate innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Tests um eine vorher definierte Prozentzahl verbessert.
Nach erfolgter Veränderung der UX muss überprüft werden, ob die Änderungen zu Verbesserungen führen, wodurch man sich quasi automatisch in den Zyklus Build > Measure > Learn begibt.
Inzwischen stehen Designern Technologien zur Verfügung, die nicht nur Daten aus diversen Quellen aggregieren, sondern diese wiederum aktiv und automatisiert nutzen, um Einfluss auf den vom Nutzer gesehenen Content zu nehmen. Seiten werden dadurch zunehmend individualisiert – über Mustererkennungen, Suchparameter oder schlicht Region – und personalisiert zum Beispiel durch Cookies, Profile oder Universal Logins. Im extremsten Fall sieht ein- und dieselbe Website also für jeden Nutzer etwas anders aus - nicht mehr „one to all“, sondern „one to one“. Durch diese Möglichkeit können Designer UX-spezifischer gestalten und Streuverluste noch geringer halten
Daten nennen keine Gründe
Die Möglichkeiten der Datenerhebung wie Data Analyses, User Flows, Personas, UX Research, UX Testing und Re-Measuring können bereits verwirrend wirken – denn die Menge der daraus resultierenden Daten ist in vielen Fällen überwältigend. Dabei ist die Erhebung analytischer Daten nur ein Anfang. Sie müssen interpretiert werden und lassen zudem oft viele Interpretationen zu. Hat zum Beispiel eine Seite wenig Besucher, weil Nutzer den Inhalt nicht brauchen oder weil die Seite nicht gefunden wird? Ist die Verweildauer kurz, weil die Nutzer schnell die gesuchte Information finden, die sie suchen, oder weil sie glauben, falsch zu sein? Analytics hilft zu verstehen, was nicht funktioniert, nennt jedoch keine Gründe. Daher ist es nur logisch, verschiedene Quellen miteinander zu kombinieren oder sich gegebenenfalls direkt in den Zyklus Build > Measure > Learn zu begeben. Grundsätzlich empfiehlt sich jedoch, vorher klare Ziele zu definieren, um dann wiederum gute Hypothesen ableiten zu können.
Ohne Ziele sind die Daten nur halb so viel wert
Mit Data Driven UX als Schlagwort geht mitunter die Erwartungshaltung von Kunden einher, den UX-Designer mit Daten zu beliefern und im Gegenzug ideale Vorschläge zu erhalten. Doch das funktioniert nur bedingt. Auf diesem Weg kann zwar immer noch eine gute Usability oder sogar UX entstehen, aufgrund derer Nutzer die Seite problemlos bedienen können. Doch um mehr zu erreichen, müssen Ziele definiert werden, auf deren Erreichung hin eine Seite optimiert werden kann. Diese Ziele müssen sinnvoll sein und für Einzelseiten heruntergebrochen werden. Dazu muss klar sein, welche Ziele ein Portal verfolgt und was die einzelne Seite dazu beiträgt beziehungsweise was der Nutzer auf dieser tun soll.
Problematisch ist die Zieldefinition oft bei Konzernen, in denen mehrere Abteilungen eigene Bereiche auf der Seite haben. Denn wenn ein Bereich mehr Traffic bekommt, wird ein anderer weniger besucht. Eine Zieldefinition für Einzelseiten ist bei großen Unternehmen mitunter aufwändig: Einmal angefangen, ist es oft schwierig, die Anzahl der Ziele im Rahmen zu halten und diese nicht in gegenseitige Konkurrenz zu setzen.
Wie misst man, ob die definierten Ziele auch zu einer guten UX führen? Einzelne KPIs nachzuhalten ist relativ simpel. Doch UX ist so viel mehr als nur eine gute Conversion-Rate. Eine gute Lösung, wenn auch nicht ganz neu, ist das HEART-Framework – Happiness, Engagement, Adoption, Retention, Task Sucess von Google. Das Framework hilft, den Fokus zu setzen und löst ein Ziel von konkreten KPIs. Das wiederum ermöglicht, mehrere KPIs zu definieren, die auf ein Ziel einzahlen. Wie man das Framework nutzt, wird von Telepathy anschaulich erklärt. Besonders wichtig ist, sich auf ein bis zwei Kategorien zu fokussieren.
Fazit
Viele Anforderungen an die UX unterliegen einem ständigen Wandel. Neue Devices und Technologien verändern sowohl Nutzungsverhalten als auch Nutzungskontext. Der Mobile-Shift hält immer noch an und könnte theoretisch durch faltbare Smartphones zu wieder ganz anderen Screengrößen und Nutzerverhalten führen. Nutzungsdaten sind also der Nährstoff für die UX der Zukunft. Denn aus ihnen kann man erkennen, ob die eigenen Nutzer einen medialen Hype zu einem echten Trend werden lassen und ob man die eigene UX dahingehend anpassen muss.