Digitale Transformation

Wie sich die User Experience in Zeiten der Pandemie verändert 

Laptop auf Schreibtisch
Beitrag von Sven Heimerdinger | Donnerstag, 15. Oktober 2020
Kategorie: Digitale Transformation

Die Corona-Krise hat Wirtschaft und Gesellschaft seit Monaten fest im Griff. Die wirtschaftlichen Folgen sind spürbar, doch auch gesellschaftlich hat Corona das digitale Konsum- und Informationsverhalten verändert.

Wir haben mit Detlev Riecke, Regional Vice President Central Europe bei Sitecore, und Mathias Reinhardt, Managing Partner bei UDG United Digital Group, darüber gesprochen, wie sich das Nutzerverhalten im Netz in Folge der Krise verändert hat und welche Möglichkeiten die Unternehmen in der aktuellen Situation nutzen können.

1. Inwiefern beeinflusst die Krise den Markt und die Konsumenten hinsichtlich der Digitalisierung?

Mathias Reinhardt: Schon vergangenes Jahr standen alle Zeichen auf Rezession. Die Corona-Krise hat die wirtschaftliche Lage drastisch verschärft. In Bezug auf die Digitalisierung in Deutschland ist die Stimmung nicht ganz so gedämpft, denn die Krise fungiert als Beschleuniger: Was vorher vermeintlich nicht möglich war oder kleingeredet wurde, wurde von jetzt auf gleich einfach gemacht. Das Mindset vieler Kunden hat sich geändert: Die komplette Wertschöpfungskette soll aufgrund von Social Distancing digital ablaufen – vom Lieferantenmanagement über die Produktion, dem Marketing und Vertrieb bis hin zum Customer Service. Für uns ist positiv, dass uns die meisten unserer Kunden spiegeln: Dort, wo digitalisiert und ausprobiert wurde, funktioniert es! Darauf müssen wir aufbauen.

2. Eine gelungene User Experience steht für mehr als nur eine „schöne Webseite“: Inwiefern verändert sich der Anspruch daran in Zeiten der Krise?

Mathias Reinhardt: Es gilt, den „digitalen Kunden“ immer auch als Mensch im Blick zu haben und ihn auch online als Individuum wahrzunehmen. Datengetriebene Ansätze helfen hierbei. Auch das Kauferlebnis, das zum Wiederkommen anregt und den Kunden bindet, muss stets im Fokus bleiben. Wer jetzt mutig ist, Neues ausprobiert und Kreativität zeigt, setzt sich durch. Produkterlebnisse werden mit Einsatz von Extended Reality geschaffen, Dialog kann mittels Conversational UX unterstützt werden, zum Beispiel über Chatbots, auch im Zusammenspiel mit Smart Speakers. Ansätze rund um Künstliche Intelligenz helfen, Bedürfnisse besser zu verstehen und Selektivität zu durchbrechen. Ausprobieren statt aussitzen, das sollte immer noch die Devise sein.

3. Gibt es schnell umsetzbar E-Commerce-Lösungen? Welche digitalen Möglichkeiten haben auch kleinere und mittelständische Unternehmen, ihre Kunden zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu erreichen?

Detlev Riecke: Aus meiner Sicht haben insbesondere kleine oder mittelständische Unternehmen eine Chance, sich am Markt abzuheben. Meine persönliche Erfahrung ist, dass es in Projekten häufig um die Authentizität im Rahmen der Kundenkommunikation geht. Manchmal geht es einfach gar nicht um den perfekten Content, sondern vielmehr darum, eine persönliche Beziehung zum Endkunden aufzubauen.

Eine neue Art der Kommunikation erlebte ich vor kurzem selbst. Und zwar hat es den digitalen Point of Sale betroffen: Prospects konnten auf der Webseite des Unternehmens Fragen zu Produkten mit Hilfe einer direkten Eins-zu-eins Videoschaltung mit dem Verkäufer, der sich auf der Ladenfläche befindet, klären. So etwas ist gerade auch für kleinere oder mittelständische Unternehmen ein interessanter Ansatz, um sich vom Wettbewerb abzuheben und den richtigen Service am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu bieten. Die Corona-Krise bringt eine wahre Chance, daraus als Gewinner hervorzugehen.

4. Internetriesen wie beispielsweise Amazon sind die unangefochtenen Platzhirsche des Online-Handels. Wie können Unternehmen, die bisher nicht oder nur wenig digital vertreten waren, ihren Anteil am „Online-Kuchen“ abbekommen?

Detlev Riecke: Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, was Amazon gut macht und was man von Amazon im Vergleich zu anderen führenden Playern am Markt lernen kann. Meines Erachtens schafft Amazon es sehr gut, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und die Prozesse auf den Endkunden auszurichten. Dabei geht es meist weniger um die Technologien, sondern vielmehr darum, als Unternehmen den End-to-end-Prozess aus Kundensicht zu betrachten.

Mathias Reinhardt: Das ist eine Erfahrung, die wir teilen. Wir werden von unseren Auftraggebern oft bereits bei strategischen Überlegungen hinzugezogen, und eine zentrale Frage lautet dabei auch immer: Kennt ihr Eure Kunden? Die Erfahrung, die wir dabei häufig machen: Die Befragungen mit Kunden liegen Jahre zurück, weshalb die Lösung aus Unternehmens- aber nicht aus Kundensicht betrachtet wird. Wir versuchen daher, früh das Mindset dahingehend aufzubrechen und den Kunden zu verstehen. Es gilt an allen Touchpoints entlang der Customer Journey zu überzeugen, sowohl online als auch offline. Nur wer sich hier bewährt und sich nachhaltig positiv positioniert, kann sich Wettbewerbsvorteile für die Zukunft erarbeiten.

5. Gibt es die eine übergeordnete “Krisen-Digitalstrategie”? Wenn ja, wie sähe diese aus?

Mathias Reinhardt: Strategien sind von Natur aus langfristig angelegt. Ein Szenario, wie es durch die Corona-Krise aufkam, hatte sicher in der Form operativ keiner auf dem Schirm. Und zwei Faktoren waren ganz entscheidend: Mut und Schnelligkeit. Es gilt: Quick-Wins bzw. quick wins! Es wird bei allen Digitalisierungsvorhaben immer sehr lange über Vor- und Nachteile sowie über alle Eventualitäten diskutiert, die eintreten könnten. Innerhalb der Krise war keine Zeit für Diskussionen, es wurde gehandelt. Natürlich sollten kurzfristige Maßnahmen so gewählt sein, dass sie in eine langfristige Strategie einfließen können. Das geht aber eben nicht immer. Die Krise hat auch den Mut gefördert, Dinge auszuprobieren und eine gesunde Fehlerkultur als Unternehmen an den Tag zu legen.

6. Welche Schritte / Must Haves im Hinblick auf die Digitalstrategie sollten Unternehmen sicherstellen und welche technischen Lösungen helfen Unternehmen, sich von der Masse abzuheben?

Detlev Riecke: Schauen wir uns die Corona-Warn-App an, die innerhalb von fünf Wochen durch die Zusammenarbeit öffentlicher Behörden, Ministerien, SAP und Telekom sowie vielen weiteren freiwilligen Helfern entstand. Vor einem Jahr wäre so eine schnelle Entwicklung wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Die Pandemie bringt einen Wandel mit sich, der sich innerhalb der Gesellschaft als auch in den Unternehmenskulturen bemerkbar macht. Schnelles Handeln, nicht lange diskutieren, sondern machen. Dies bezieht sich auch auf eingesetzte Technologien, dass es Möglichkeiten zum schnelleren, flexibleren und agileren Handeln gibt. Diesen Ansatz können wir mit unseren Lösungen sehr gut unterstützen, da wir dem Kunden durch vorgefertigte Module die Möglichkeit geben, diese je nach Projekt und Anforderung flexibel einzusetzen. In der Praxis sind Projekte somit schneller. Dass wir mit dieser Strategie auf einem guten Weg sind, zeigen uns auch unsere gemeinsamen Projekte in Form von kürzeren Projektzyklen. Die Folgen davon sind: Geringere Kosten und schnellere Ergebnisse. Und meine Überzeugung ist, dass Schnelligkeit und Modularität den Unterschied machen, ob man vorne mit dabei ist oder dem Markt hinterherläuft.

Über die Ansprechpartner:

Detlev Riecke

Regional Vice President, Central Europe

Als Regional Vice President verantwortet Detlev Riecke seit 2018 die strategischen und operativen Geschäfts- und Vertriebsaktivitäten des Unternehmens im DACH-Raum und in Osteuropa. Riecke verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Unternehmenssoftware-Branche. Vor seinem Wechsel zu Sitecore war er u. a. bei OpenText, HP, Oracle und Compuware in leitenden Positionen tätig.

Detlev Riecke, Regional Vice President Central Europe bei Sitecore
Mathias Reinhardt, Managing Partner

Mathias Reinhardt

Managing Partner, UDG United Digital Group

Mathias Reinhardt ist Managing Partner und Mitbegründer der UDG. Seit zwanzig Jahren berät der Diplom-Wirtschaftsinformatiker Unternehmen rund um große E-Commerce- und Digital-Plattform-Projekte – von Strategie und Technologie-Architektur bis hin zu Projektorganisation, Vorgehensmodellen und Agilisierung.